Württembergische Landesbibliothek wird mit Architekturpreis Beton ausgezeichnet
Neubau führt Sichtbetonoptik des Altbaus gefühlvoll fort
Welch eine Würdigung - bereits vor der offiziellen Eröffnung erhielt der Erweiterungsbau der Württembergischen Landesbibliothek den Architekturpreis Beton 2020. Das vom Stuttgarter Architekturbüro Lederer Ragnarsdóttir Oei entworfene Gebäude fällt vor allem durch seine mit einer Schalungshaut aus sägerauen Brettern gefertigte Sichtbetonfassade auf Basis von Dyckerhoff WEISS ins Auge. Die durch den Weisszement erzielte helle Färbung der Betonhaut wird durch eine Pigmentierung mit Titandioxid noch verstärkt.
Bei der Suche nach einem geeigneten Bauunternehmen fiel die Wahl auf die Infrastrukturabteilung der Firma Max Bögl, die durch den Brückenbau über umfangreiche Erfahrungen mit brettgeschaltem Sichtbeton verfügt. Die Fassade wurde als Ortbetonschale mit einer Kerndämmung vor die tragenden Betonwände montiert. Für die Herstellung des Sichtbetons wurden ca. 400 t Dyckerhoff WEISS verwendet, außerdem Rheinsand (0/2 mm), Kalksplitt (2/8 mm) und Kalksplitt (8/16 mm). Die Firma Godel-Beton produzierte daraus ca. 1.000 m³ Weißbeton der Festigkeitsklasse C35/45, die Konsistenzen betrugen F4 und F5. Die Schalung bestand aus sägerauen Nut- und Federbrettern (Gatterschnitt), die mit Zementschlämme vorbehandelt wurden.
Mit dieser etwas anachronistisch anmutenden Fassade führt der Neubau die ebenfalls durch eine Naturholzschalung geprägte Optik des Altbaus konsequent aber dennoch gefühlvoll fort. Der Ursprungsbau zählte zu den herausragenden Architekturleistungen der sechziger Jahre in Süddeutschland, federführend war damals der vom Brutalismus beeinflusste Architekt Prof. Horst Linde. Wie so häufig wurde hier die Aufnahme und Neuinterpretation der Gegebenheiten im Umfeld zur architektonischen Kernaufgabe. Nach Aussage der Architekten war es gar nicht die Absicht, den Erweiterungbau als eigenständigen Baukörper in Erscheinung treten zu lassen. Vielmehr sollte er sich optisch als Erweiterung des flächenmäßig viel größeren Ursprungsgebäudes präsentieren.
Der Planungswettbewerb für einen den Altbau funktionell und räumlich geschickt erweiternden Neubau wurde bereits im Jahr 2010 ausgeschrieben. Der mit dem ersten Preis ausgezeichnete Entwurf von Lederer Ragnarsdóttir Oei setzt die Aufgabe mit einem eigenständigen Gebäude um, das nur über einen Steg im ersten Obergeschoss mit dem Bestandsgebäude verbunden ist. Die Baugenehmigung wurde im April 2014 erteilt, der Grundstein im November 2015 gelegt. Die offizielle Eröffnung ist für den Spätsommer 2020 geplant.
Bauherr des Erweiterungsbaus mit einer Nutzfläche von 11.300 m2 ist der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Das Gebäude umfasst insgesamt sechs Ebenen: erstes Untergeschoss, Erdgeschoss und vier Obergeschosse. In den Obergeschossen sind frei zugängliche Ausleihbestände (insges. 500.000 Bände) sowie Leseplätze vorgesehen. Mit der Sanierung und dem Umbau des Bestandsgebäudes wird anschließend ein zweiter Bauabschnitt folgen, für dessen Fertigstellung ebenfalls mehrere Jahre eingeplant sind.
Übrigens: Die Württembergische Landesbibliothek ist nicht das einzige mit Dyckerhoff WEISS errichtete Bauwerk, das mit dem Architekturpreis Beton 2020 gewürdigt wurde. Auch die James-Simon-Galerie in Berlin erhielt die begehrte Auszeichnung. Der bereits zum 21. Mal vergebene Preis wird alle drei Jahre für herausragende Leistungen der Architektur und Ingenieurkunst ausgelobt, er ging diesmal zu gleichen Teilen an vier Bauwerke.
(Fotos 1 bis 5: Brigida Gonzales, Fotos 6 bis 8: Dyckerhoff)